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Noch ist nichts. Grüne Nacht.
Jede Stille hat ihr eigenes Maß.
Ehe das erste Gebilde entsteht,
vergehen hunderte Jahre,
er weiß es und sagt ihren Namen.

Als stieße er das nächtliche Fenster auf
und lauschte auf jede Bewegung,
noch hat er Hoffnung,
das schwere Leinen aus Nichtsein
legt sich ihm willig in die Hand.

Alles, was jetzt für sie kommt –
Golfströme, Eisberge in toten Meeren,
der tägliche Zug der Sphären, der Luft
der Ruf der Wale, der Schrei der Chimären
die Entstehung von Farbe und Duft,

die Wurzeln der Gräser, die Blätter am Baum,
das Eis auf dem See, das Pfeifen der Vögel,
das reißende Zittern von Kohle und Erz,
gehorsamer Tiere Jaulen und Wispern,
lärmender Handelsstädte Gier,

ein Feuer, das Schiffe verzehrt,
Tod auf dunkelseidigen Bannern,
verloschene Sterne am hohen Rund,
stille Leichname in der sommerlichen Erde,
Blut, wie Lavaflüsse in den Venen:

was kommen muss, kommt
was gewesen ist, schwindet,
ein Tribut an gesehene Welten,
an die Stimme mit Dunkel-Partikeln,
an ein Atmen, erwärmt und befreit.
Er weiß, was sie erwartet,
dennoch sagt er ihren Namen,
gewoben aus Konsonanten und schweren Vokalen,
bis der Zärtlichkeit dämmriger Schnee
der Liebe smaragdgrüner Fluss
an seine Füße dringt.

© Serhiy Zhadan

Aus dem Ukrainischen von Claudia Dathe

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